tcham seon
Meditation
Im ersten Artikel habe ich mich vorwiegend auf das Seon- tche Dcho (son
tschee tschoo) beschränkt, eine Art koreanische Heilgymnastik. Ich
hoffe, daß die Photoserie diese "Spezialgymnastik" ausreichend verdeutlichen
konnte. Aber Ho Sin- sul, die ganzheitliche koreanische Selbstverteidigungsmethode
besteht noch aus zwei weiteren Komponenten. Neben dem eingangs erwähnten
Seon- tche dcho gehören noch dazu Tscham Seon (tscham son), die Meditation
und Dan-Dchon Hohup (dan dschon hoohup), eine spezielle Atemtechnik.
Während die "Heilgymnastik" für jeden, egal welchen Alters
und Geschlechts erlernbar und praktizierbar ist, bedarf es bei der Meditation
etwas mehr. Die Seon-tche dcho- Techniken sind mit Geduld und Willen erlernbar;
Theorie und Praxis sind viel leichter zu bewältigen und umzusetzen.
Mit Vorbehalt könnte man sagen, daß diese Übungen zuvorderst
aufs "Technisch-Physiche" reduziert werden können. Man kann diese
Übungen auch nur aus Neugierde, Zeitvertreib oder Spieltrieb und Lust
machen. Möglich ist es, obwohl es auch hier sinnvoller ist, die Übungen
kontinuierlich und konsequent zu machen.
Die Tscham Seon- Meditation ist weitaus komplexer und weitreichender.
Diese Meditationsform, wie Meditationen im allgemeinen, dient weder dem
Zeitvertreib, noch ist es ein Mittel, um mal schnell was anderes, neues,
"exotisches" auszuprobieren. Geduld, Übung und Wille sind auch hierbei
wichtig, aber das ist nicht alles. Wichtig bei dieser Meditation ist vor
allem die innere Überzeugung., der Glaube an die Meditation, an ihre
Wirkung. Natürlich dient sie auch sportlichen und gesundheitlichen
Zwecken (siehe sichtbare und unsichtbare Gegner); sie ist meiner Meinung
nach in erster Linie eine Lebenshaltung und Lebenshilfe. Unter ernstgenommener
und ernsthaft betriebener -aber nicht verbissen! betriebener- Meditation
verstehe ich keine Übung von ein paar Minuten (wie beim Hobby oder
einer Sportart), sondern ein (das) bewußtes
(Er)Leben Tag für Tag; eine Lebenseinstellung eben. Wie wichtig
solche "Lebenskonzepte" oder "Lebensphilosophien" heutzutage sind, zeigen
uns die vielen Irrwege des Menschen, der Sinnverlust oder vielfältige
Deformationen. Als ein Beispiel sei nur der Gesundheitszustand der Menschen
genannt, der durch Zivilisations-, Berufskrankheiten und Umweltverschmutzung
zunehmend beeinflußt und geschwächt wird. Und Ho Sin- sul mit
seinen drei Komponenten -ich wiederhole es nochmal- ist eine mögliche
Form, diesen negativen Entwicklungen ganzheitlich vorzubeugen.
Wen möchte ich mit
der tscham seon- Methode ansprechen?
-
Tae Kwon Do- Sportler, die die Kampftechniken (das Tae Kwon) für alles
halten.
-
Tae Kwon Do-Sportler, die außer Kampftechnik noch etwas anderes erwarten,
etwas wichtiges erwarten aber nicht genau wissen, was; Leute, die fühlen
oder erahnen, daß Tae Kwon Do nicht nur aus Kampftechnik besteht.
-
Tae Kwon Do-Sportler, die den Do/Weg kennenlernen wollen; Leute, die das
Do ungefähr erahnt haben und jetzt bewußt wissen und lernen
wollen.
-
Leute, die die Methode geistiger und körperlicher Gesundheit richtig
lernen wollen; sowohl Anfänger als auch jene, die bis jetzt vieleicht
durch ein falsches Verständnis deren / die falsche Anwendung korrigieren
möchten.
-
Leute, die an das Leben nach dem Tod zwar glauben, denen es aber an Überzeugung
fehlt; deren Glaube schwach und zweifelnd ist. Diese Leute können
damit sowohl ihren Glauben stärken, als auch ihre Zweifel ablegen.
Menschen die an ein Leben nach dem Tode glauben, kann ich Tcham Seon wärmstens
empfehlen und zwar aus mehreren Gründen. Meditationsphilosophie und
Anwendung sind gut verständlich, praktisch, einfach und darauf bedacht,
daß sie in den europäischen Zivilisationskreis gut hineinpassen
und nachvollziehbar sind.
Was ist eine gute Meditationsmethode?
Wie wichtig es ist eine passende Methode zur richtigen Zeit am richtigen
Ort der richtigen Gruppe zu vermitteln, möchte ich anhand einer persönlichen
Erfahrung verdeutlichen: Seit 17 Jahren lebe ich in der Bundesrepublik
Deutschland und 10 Jahre habe ich gebraucht, um das Produkt Käse verstehen
und seinen Geschmack lieben zu lernen. Jetzt genieße ich die Speise
mitsamt dem stinkigsten Geruch. Soll ich nun bereuen, daß ich 10
Jahre gebraucht habe, um auf den Genuß zu kommen? Was war die Ursache?
Die Antwort ist einfach: Ich komme aus einem Kulturkreis, in dessen
Küche so etwas wie Käse nicht existiert. Insofern konnte ich
weder den Geruch noch den Geschmack "verstehen", noch überhaupt etwas
mit dem Begriff "Käse" anfangen, da ich keinen Vergleich mit den mir
bekannten kulinarischen Genüssen anstellen konnte. Leider hatte ich
auch niemanden, keinen Lehrer oder ähnliches, der mir einleuchtend
hätte erklären können, was Käse ist, woher er kommt
und wie vielfältig, typisch und wichtig für die europäische
Ernährung er ist. Diese 10 Jahre hätten durch eine solche Person
erheblich verkürzt werden können.
Ähnlich verhält es sich mit der Meditation. Auch hier bedarf
es eines Vermittlers oder Lehrers, der beide Seiten, beide Kultur- und
Zivilisationskreise gut kennt. Denn die Meditationsform, die ich hier vermitteln
möchte, habe ich in koreanischen Klöstern gelernt und im Land
auch praktiziert. Mir ist jedoch bewußt, daß ich hier das Erlernte
nicht auf die gleiche Art und Weise weitergeben kann, wie es mir beigebracht
wurde. Zum ersten, weil die Zeit (der Zeitgeist, die Gesellschaft) eine
andere geworden ist. Zum zweiten, weil der Ort (der Zivilisationskreis)
ein anderer ist.
Ich glaube, daß ich die Tscham-Seon-Meditation durchaus akzeptabel
vermitteln kann. Nicht nur, weil ich die Anpassung an Raum und Zeit berücksichtigen
möchte und weil ich so lange in der Bundesrepublik lebe und die Menschen
hier verstehe, sondern weil auch ich persönliche Erfahrungen gemacht
habe, die seht bitter waren. Auch ich war schwer krank; ich stand sogar
vor dem "Aus" meines beruflichen Erfolges. Gesundheitlich Probleme; persönliche
"Hochs und Tiefs" -diese Erfahrungen machen mir Mut und stimmen mich bei
dem Wunsch Tcham Seon zu vermitteln zuversichtlich, gerade weil mir die
menschlichen Nöte und Probleme selbst bekannt sind.
Was braucht man, um meditieren
zu können?
Der berühmte koreanische Meditationsmönch Seoam hat gesagt:
"Ein guter Mönch zu werden, heißt nicht so zu werden wie ich.
Ein guter Mönch wird jener, der versucht, daß richtige Do auch
richtig zu verstehen." Mit anderen Worten, um gut zu meditieren, muß
man weder jemanden kopieren, noch bedarf es bestimmter äußerer
Akzente. Man muß sich weder die Haare abschneiden lassen noch in
einen Tempel gehen, um das Do, die geistige Dimension zu erlernen und zu
erfahren. Wichtig ist vor allem die innere Stimmung, Einstellung und (Lebens)Haltung
inbezug auf Meditation und geistige Erfahrung, nicht Äußerlichkeiten.
Viele meinen, daß man, um meditieren zu können, einen speziellen
Raum braucht, zum Beispiel einen Tempel.
Großmeister
Johann Whang
TAEKWONDO AKTUELL 10/93
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